(Red.) Stefano di Lorenzo, unser Mann in Russland, hat sich umgesehen und umgehört, wie der eher unerwartete Wahlsieg Donald Trumps kommentiert wurde. Von Einstimmigkeit ist keine Rede, auch in Russland haben verschiedene Stimmen Platz. Allerdings: Die Begeisterung hält sich in Grenzen, denn schon in der letzten Trump-Zeit in den USA 2017-2021 haben sich die Beziehungen zwischen den USA und Russland nicht zuletzt durch Entscheidungen Trumps verschlechtert. (cm) In Russland wurden natürlich, wie in der ganzen Welt, die jüngsten amerikanischen Wahlen mit großem Interesse verfolgt. In Europa waren die Präferenzen bekanntlich klar: Kamala Harris hätte die erste weibliche Präsidentin werden können, dazu noch die erste Präsidentin asiatischer Herkunft (Kamala Harris’ Mutter stammt aus Indien). Der Sieg von Kamala Harris hätte also den Triumph des Progressivismus symbolisiert. Die Alternative, der ehemalige Präsident Donald Trump, wurde stets als nationalistisch, isolationistisch, rassistisch, homophob, protofaschistisch, rückschrittlich, sexistisch, als Freund von Tyrannen, als russischer Agent, kurzum als das Böse bezeichnet. Bei einem Sieg von Trump sei Europa auf sich allein gestellt. In Russland hingegen versuchte man, die beiden Kandidaten nüchterner und distanzierter zu betrachten, so als ob es keine große Rolle spielen würde, wer gewinnt. Im September hatte der russische Präsident Wladimir Putin — mit aller Wahrscheinlichkeit mit etwas Ironie — erklärt, er bevorzuge einen Sieg der Kandidatin der Demokratischen Partei, Kamala Harris. Ein Sieg von Harris bedeute Kontinuität, verglichen mit der Ungewissheit einer zweiten Trump-Präsidentschaft. In den Jahren der Präsidentschaft Bidens hatten die Beziehungen zwischen Amerika und Russland einen ihrer Tiefpunkte seit Jahrzehnten erreicht, wobei das Risiko, dass der Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu einem offenen Krieg zwischen den USA und Russland eskalieren könnte, nie ausgeschlossen werd