Der Weltagrarbericht 2020: Noch 60 Ernten? Oder reicht der Boden für weitere 4 Milliarden Menschen?

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Der neue Weltagrarbericht der UN-Welternährungsorganisation FAO ist in der öffentlichen Aufmerksamkeit untergegangen. Dabei enthält er alarmierende Nachrichten: Die Zahl der Menschen, die hungern, steigt weltweit kontinuierlich an, seit 2014, als die Zahlen erstmals wieder nach oben gingen, um 60 auf 690 Millionen. 750 Millionen sind unterernährt, fast ein Zehntel der Weltbevölkerung. Fast 2 Milliarden Menschen haben keinen gesicherten Zugang zu ausreichender und nahrhafter Ernährung. Der Anteil der unterernährten Kinder ist mit 21,3 Prozent mehr als doppelt so hoch. Nicht eingerechnet sind die 6 Millionen Kinder unter 5 Jahren, die jedes Jahr an Unterernährung und vermeidbaren Krankheiten sterben. Die Zahl der Menschen, die sich eine gesunde Nahrung nicht leisten können, beträgt über 3 Milliarden – das sind rund 40 Prozent der Weltbevölkerung! Das heißt, dass nicht nur die Klimaziele bis 2030 nicht erreicht werden; auch das Millenniumsziel, die Welt bis 2030 vom Hunger zu befreien, steht auf der Kippe. Beim jetzigen Gang der Dinge würde die Zahl der Hungernden dann 840 Millionen überschreiten. Dabei ist der Corona-Effekt noch gar nicht eingerechnet, die FAO schätzt, dass die Pandemie die Zahl der Hungernden in diesem Jahr um 83–132 Millionen nach oben treiben könnte. Nicht überraschend konzentrieren sich Hunger und Unterernährung auf die Länder des globalen Südens. Doch dabei gibt es Verschiebungen: In Afrika stieg die Zahl seit 2015 kontinuierlich von 18 auf 19 Prozent (im Jahr 2030 voraussichtlich mehr als 25 Prozent!). Auch in Lateinamerika ist die Zahl der Hungernden und Unterernährten in den letzten Jahren dramatisch gestiegen: von 6,2 auf 7,4 Prozent (2030 voraussichtlich 9,5 Prozent). In Asien hingegen hat sie abgenommen (von 8,8 auf 8,3 Prozent, 2030 voraussichtlich 6,6 Prozent). Gleichzeitig produziert die Landwirtschaft mehr Nahrung als je zuvor, und zwar sowohl in absoluten Zahlen als auch pro Kopf der Bevölkerung, die Agrarproduktion wächst schneller als die Bevölkerung. Die FAO schätzt: Wenn die Ernten, die wir heute haben, vollständig und effektiv zur Ernährung genutzt würden (statt an die Tiere verfüttert oder zur Energieerzeugung verbrannt zu werden), könnten 12–14 Milliarden Menschen ernährt werden. «Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die Menschheit heute die Mittel an der Hand, den Hunger in der Welt zu besiegen», heißt es in dem Bericht. Immer haben sich Politiker dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben, und immer sind sie damit gescheitert.