Der folgende Essay beschäftigt sich mit der Kulturpolitik des Kalten Krieges. Im ersten Teil geht es um die zeitgeschichtlichen Umstände, die dazu geführt haben, dass die Sphäre der Kultur im Verlauf des Kalten Krieges eine immer wichtigere Bedeutung gewann. Im zweiten Teil werden die einzelnen Maßnahmen sowie die Ziele genauer in den Blick genommen. Da viele der damals eingeleiteten Maßnahmen bis heute fortwirken, beschreibt dieser Essay zugleich das Gewordensein der heutigen Kultur. HAUKE RITZ , 27. Dezember 2022, 0 Kommentare , PDF Die späten 1960er und frühen 70er Jahre sind zum Symbol einer Kulturveränderung innerhalb der westlichen Welt geworden, die immer noch nachwirkt. Welche Relevanz hat es, dass diese Periode – die oft durch die Jahreszahl 1968 symbolisiert wird – ungefähr in der Mitte des Kalten Krieges angesiedelt ist? Können die kulturelle Veränderung der späten 1960er, frühen 70er Jahre sowie der Kalte Krieg prinzipiell in einen Zusammenhang zueinander gestellt werden? Besteht zwischen beiden Phänomenen überhaupt eine Verbindung? Und wenn eine solche Konjunktion angenommen werden darf, wie könnte sie wissenschaftlich erschlossen werden? In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die akademische Forschung ihre Schwierigkeiten mit der kulturellen Dimension des Kalten Krieges hat. Zunächst deshalb, weil die Analyse von machtpolitischen Zusammenhängen grundsätzlich schwer zu leisten ist. Die Geschichte zeigt, dass die Erforschung von Machtbeziehungen zu allen Zeiten kontrovers gewesen ist. In der Regel müssen die beteiligten politischen Akteure bereits verstorben sein und die ideologische Formation bereits der Vergangenheit angehören, ehe machtpolitische Zusammenhänge in ihrer vollen Tragweite der wissenschaftlichen Forschung zugänglich gemacht werden können. Diese Schwierigkeit nimmt sogar noch zu, wenn man, wie es in diesem Beitrag probiert werden soll, politische Macht im Zusammenhang von Kulturveränderungen analysiert. Denn Kultur ist nur ein anderes Wort für die Lebenswelt, die uns umgibt, die uns als Personen und Charaktere konstituiert und zu der wir in der Regel ein unmittelbares und überwiegend unbewusstes Verhältnis pflegen. Der Gedanke, die uns umgebende Kultur könnte zu einem Objekt machtpolitischer Einflussnahme geworden sein, berührt daher die Grundfesten unserer Identität und kann deshalb leicht Ängste und Abwehrreaktionen hervorrufen. Aus diesem Grund soll im Folgenden kritischen Einwänden vorgegriffen werden. Es wurde deshalb ein Ansatz gewählt, der das Thema möglichst grundsätzlich angeht. Dementsprechend soll mit der Frage begonnen w