Im Lichte der dramatischen Ereignisse im Gaza-Streifen und jetzt auch im Westjordanland und im Libanon erhalten der Sechstage- und der Jom-Kippur-Krieg erneut Bedeutung. Besonders letzterer kann als Warnung vor alten Fehlern und als Beispiel für erfolgreiches Konfliktmanagement dienen. Schon wie vor 1973 verlässt sich Israel auch nach den demütigenden Angriffen vom 7. Oktober vergangenen Jahres einseitig auf militärische Mittel bei der Gewährleistung seiner Sicherheit. Das ist eine gefährliche Schwergewichts-Setzung in einer Zeit, in welcher sich das Bild moderner Kriege in einem raschen Wandel befindet. Noch heute, über 50 Jahre nach seinem Ende, herrscht noch nicht einmal Einigkeit in der Bezeichnung des Kriegs vom Oktober 1973: Im Westen ist er nach dem gleichnamigen jüdischen Feiertag Jom Kippur benannt, in der arabischen Welt hingegen unter der Bezeichnung „Oktober-Krieg“ oder „Ramadan-Krieg“ bekannt (1). In der westlichen Historiografie überwiegt bis heute das israelische Narrativ, das vom Schock der Überraschung und der ersten militärischen Niederlagen, sowie dem Entsetzen über die hohen Personalverluste geprägt ist, welche Israel in den notwendig gewordenen Gegenoffensiven auf der Sinai-Halbinsel und den Golan-Höhen hinnehmen musste (2). Dahinter steckte damals wohl auch die Einsicht, dass die israelische Armee nicht unbesiegbar sei und dass der Besitz des Geländes vor den eigentlichen Grenzen Israels per se noch keine Sicherheit bedeutete. Diese Lektion mussten Politik, Militär und Öffentlichkeit in Israel in den ersten Oktobertagen des Jahres 1973 auf die harte Art lernen. In der arabischen Berichterstattung wird der Kriegsausgang, der eigentlich einer militärischen Niederlage Ägyptens gleichkam, bis heute als glänzender Sieg des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat dargestellt (3). Überraschung am Versöhnungsfest</