KAZAN-KASAN welch ein Klang – und bis vor kurzem noch nie davon gehört. Aber bald wusste ich, dass ich dorthin fahren wollte. Ich suchte nach einer Begleitung, die Russisch spricht und gleichermaßen interessiert ist an dem 16. BRICS-Gipfel, der in diesem Jahr unter der Präsidentschaft Russlands steht. Was für eine Stadt ist Kasan? Sie ist die drittgrößte Stadt Russlands, die Hauptstadt der Republik Tatarstans und eine der schönsten Städte Russlands. Sie liegt 700 km süd-östlich von Moskau. Hier trafen sich im Laufe der Geschichte und bis heute im Miteinander orthodoxes Christentum und Islam. Damit war Kasan die prädestinierte Stadt für den BRICS-Gipfel, an dem ca. die Hälfte der Delegierten aus Ländern mit islamischer Bevölkerung und Regierung kamen. Mit diesem Gipfeltreffen gibt es für mich zwei bedeutende Ereignisse, die eng miteinander in Beziehung stehen. Es handelt sich um die antikoloniale Konferenz von Bandung 1955 und nun das BRICS-Treffen in Kazan 2024.
In Bandung/Indonesien nahmen Vertreter aus 29 afrikanischen und asiatischen Staaten an einer antikolonialen Konferenz teil. Alle Länder standen noch unter kolonialer Herrschaft bis auf China, das 1949 souveräner Staat wurde. Unter den Teilnehmern waren Sokarno, Nasser, Nehru, und Zhou Enlai. Sie forderten gemäß der UN-Charta von 1945 das völkerrechtlich verbindliche Recht auf Selbstbestimmung und Souveränität, die ihnen als Kolonien verwehrt wurden. Der in der UN-Charta geforderte Weltfrieden war ein zentraler Bezugspunkt.
Seit den 1980er-Jahren maß auch ich dem Völkerrecht, der UN-Charta, große Bedeutung zu – als Lehre aus Krieg und Faschismus des Zweiten Weltkriegs. Der Widerspruch zwischen völkerrechtsverbindlicher Charta und kolonialer Realität öffnete mir die Augen über den politischen Charakter des Westens mit seiner verlogenen Ideologie von freedom and democracy. Meine politische Zugehörigkeit fand ich im Weltfriedensrat/Deutscher Friedensrat. Die NATO als aggressivstes Militärbündnis mit der Hegemonialmacht USA, deren vielen völkerrechtswidrigen Kriegen, Wirtschaftskriegen und Sanktionen, sowie Biowaffen-Einsatz und über 800 Militärstützpunkten bildeten für mich die inhumanste, unzivilisierteste Geißel auf unserem Planeten. Mit dem Zusammenschluss der ALBA-Länder unter der Initiative von Hugo Chavez und Fidel Castro zu Beginn dieses Jahrhunderts sah ich den Geist von Bandung wieder aufleben.