Dies ist ein Gastbeitrag. Der Autor Hubert Filser ist Wissenschaftsjournalist und Physiker. Sein Originalartikel erschien in « Horizonte » Nr. 144 (März 2025), dem Forschungsmagazin des Schweizerischen Nationalfonds und der Akademien der Wissenschaften Schweiz. _____________________ Die Geschichte des aktuell wohl begehrtesten Elements der Welt beginnt in den ersten fünf Minuten nach dem Urknall. Damals vor rund 13,8 Milliarden Jahren entstand das leichteste Metall des Universums: Lithium. Dabei weiss niemand so genau, wie die Schlüsselressource der Energiewende überhaupt auf die Erde kam. Nachgewiesen wurde Lithium erstmals vor rund 200 Jahren, in der Utö-Mine südlich von Stockholm. Auf der Erde selbst kann das Metall übrigens nicht entstanden sein, dafür braucht es so hohe Energien, wie sie nur im Weltall und im Inneren von Sternen vorkommen. «Lithium ist eines der mysteriösesten Elemente des Universums», sagt Anna Frebel, Expertin für alte Sterne und die Frühphase des Weltalls am Massachusetts Institute of Technology. In seiner reinen Form ist das Element hochreaktiv, und bereits die ersten Sterne haben es mit ihren hohen Kerntemperaturen fast vollständig verbrannt. Trotzdem müsste sich heute laut Standardmodell für die Entstehung des Weltalls noch deutlich mehr Lithium im Universum befinden. Messungen weisen etwa Wasserstoff und Helium in der erwarteten Grössenordnung nach, Lithium aber zwei- bis viermal weniger als vorhergesagt. Warum? «Das wissen wir nicht», sagt die Astrophysikerin. Man nennt es das kosmologische Lithium-Problem. Nur ein kosmischer Unfall Das Ganze beginnt schon mit dem Nachweis. Lithium lässt sich nicht wie Wasserstoff und Helium in den Gaswolken von Galaxien messen. Nur an der Oberfläche bestimmter Sterntypen können Astronomen es von der Erde aus beobachten. Aber auch dann sind die Signale in der Regel schwach. Mit wenigen Ausnahmen: Corinne Charbonnel von der Universität Genf hat zusammen mit Frebel jüngst im Stern J0524-0336 eine tausendfach höhere Lithiummenge als bei vergleichbaren Sternen nachgewiesen. Ein Glücksfall, aber rätselhaft. Dem könnte ein einmaliger Prozess im Leben eines Sterns zugrunde liegen, schreibt Charbonnel in einem Paper. Gemäss dieser These wird eine kurze Zeit, etwa tausend Jahre lang, Lithium produziert. Es wäre wie ein Wimpernschlag im Leben eines Sterns, der Milliarden Jahre existiert. Danach verbraucht er das Metall vollständig. «Nach dem Urknall gab es anders als bei anderen Elementen keine richtige Lithiumproduktion mehr», erklärt Frebel weiter. «Sein Entstehen erscheint eher wie eine Art kosmischer Unfall.» Bei vielen anderen Elementen auf der Erde könne man die Entstehung ziemlich genau bestimmen: Eisen stammt aus Supernova-Explosionen, Gold aus der Kollision von Neutronensternen, Barium von einer bestimmten Klasse alter Riesensterne. «Lithium dagegen ist wie ein glitschiger Fisch», sagt Frebel. Eine Vermutung aber gibt es, ein Phänomen, das Forschende Spallation nennen: Hochenergetische Teilchen könnten auf ihrem Weg durchs Universum zufällig mit schwereren Elementen verschmelzen und zu Lithium zerfallen. So könnte das Metall immer wieder mal entstanden und mangels Reaktionspartner in den endlosen Weiten stabil geblieben sein. Grosse Chance und grosser Zerstörer Aber auch in diesem Fall bleibt die Frage: Wie ist es auf die Erde gekommen? Wieder Achselzucken bei Frebel. «Auch das wissen wir nicht», sagt sie. Als sich die Erde aus einer Wolke aus Gas und Staub bildete, muss darin jedenfalls auch das Lithium enthalten gewesen sein, das heute in Batterien g